Montag, 3. Februar – ein besonderer Tag der politischen Bildung an der Oberlin
Zwei Veranstaltungen am Montag öffneten die Augen, rückten Gedanken und Urteile zurecht, erweiterten Horizonte und zeigten Perspektiven.
Für die 11. Klassen und externe Gäste war Prof. Mattias Brandis bei uns. Er brachte sein Buch „Meines Großvaters Geige“ mit, in dem er seine Forschungen und die auf Dokumente und Gespräche basierende Geschichte seiner Familie, der jüdischen Hamburger Familien Wohlwill und Dehn, niedergeschrieben hat. Ins 19. Jahrhundert reichen die Erzählungen, bis die Machtergreifung Hitlers diesen erfolgreichen Lebensgeschichten ein jähes Ende setzte. Einige Familienmitglieder schafften es auszuwandern, manchen gelang es nicht mehr. Die Geige, die Heinrich Wohlwill bei seiner Deportation nach Theresienstadt abgenommen wurde, steht als Symbol für alles, was ihm und seiner Frau verloren ging: Kultur, Gemeinschaft, Familienleben, das ganze erfolgreiche, arbeitsreiche Leben in Deutschland. Er überlebte Theresienstadt nicht.
Matthias Brandis, so schien es, liegt viel daran, diese seine Geschichte akribisch erforscht und faktenreich darzulegen, so als schwände die Angst vor Zweiflern und Leugner nicht. Es berührte die Schüler*innen, diese Schicksale so sachlich und doch so spürbar bewegt erzählt zu bekommen. Die nachfolgenden Fragen in einer politisch wieder bedrohlichen Gegenwart klangen fast ein bisschen verzweifelt: „Was können wir tun?“ Die Antwort: „Lauft nicht mit den Massen und eignet euch echtes Wissen an!“
Am Nachmittag erlebten über 30 Schüler*innen aus den 12. und 13. Klassen den Nahost-Trialog: Zakariyya Meißner (palästinensische Identität) und Natalie Hünig (jüdisch-israelische Identität) kamen mit ihnen ins Gespräch. Thema war der innere Konflikt, den so viele seit dem Hamas-Angriff auf Israel spüren, der Zwang sich positionieren zu müssen, die Angst, auf eine Seite gedrängt zu werden, die starken oft unversöhnlich scheinenden Emotionen. Dabei, so die Gäste, geht die Schuldfrage am Eigentlichen, nämlich der Positionierung für die Opfer auf beiden Seiten, vorbei. Authentisch und aus eigener Betroffenheit heraus leiteten und moderierten Zakariyya Meißner und Natalie Hünig das Gespräch. Ein weiteres kontrovers diskutiertes Thema war die Darstellung des Krieges in den sozialen Medien. Inwieweit öffnet es die Augen für die Grausamkeit des Krieges, inwieweit führt es zu Abstumpfung, zu Traumata oder zu einseitiger Propaganda.
Die Rückmeldungen unserer Schüler*innen zeigen: Diesen Stimmen an unserer Schule Raum zu geben, ist notwendig, bereichernd und von wachsender Bedeutung.